Sie sind hier: Startseite Abteilung Geschichte des Lehrstuhls

Geschichte des Lehrstuhls

 

Die Geschichte der Christlichen Archäologie setzt an der Universität Freiburg mit Franz Xaver Kraus (1840–1901) ein, der dort 1878 o. Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät wurde. Der Priester Kraus war zuvor seit 1872 an der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg ao. Professor für „Geschichte und christliche Kunstarchäologie“. Kraus, Kirchenhistoriker mit historisch-kritischem Ansatz, hatte sich schon früh mit Themen aus den Gebieten der Christlichen Archäologie und Epigraphik beschäftigt, für ihn unabdingbar als Grundlage für die frühe Kirchengeschichte. Zunächst ausgehend von den Denkmälern seiner rheinischen Heimat, erweiterte er seine Interessen und Kontakte auf Italien und beschäftigte sich mit der Roma sotteranea. In Straßburg entwickelt er Pläne für ein „Institut für Christliche Archäologie und Epigraphik“ und wurde zum Mitbegründer der systematischen Kunstdenkmäler-Inventarisation in Deutschland. In Freiburg setzte er seine Tätigkeit fort, seine Antrittsvorlesung von 1878 trägt den programmatischen Titel „Über Begriff, Umfang, Geschichte der Christlichen Archäologie und die Bedeutung der monumentalen Studien für die historische Theologie“. Kraus schloss dabei in seine Forschungen immer auch Mittelalter und Neuzeit ein. Er publizierte damals grundlegende Werke zur Christlichen Archäologie wie die „Encyklopädie der christlichen Alterthümer“ (1882–86) und „Die christlichen Inschriften der Rheinlande“ (1890–94). Seine monumental ange-legte „Geschichte der christlichen Kunst“ (1895ff.) blieb unvollendet. Daneben war er ab 1882 „Konservator der kirchlichen Denkmäler der Kunst und des Altertums im Großherzogtum Baden“ und als solcher für die Denkmalpflege zuständig wie auch für die Publikation des Inventars der „Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden“ (1887–1904). Kraus begründete 1878 bei seiner Berufung nach Freiburg einen „Apparat für Christliche Archäologie“ und lehrte das Fach neben seinen kirchenhistorischen Vorlesungen. Er hatte auf dem Gebiet nur zwei Schüler: Karl Künstle und Joseph Sauer.   

Der 1890 promovierte und 1895 für „Christliche Literaturgeschichte und Altertumskunde“ habilitierte Karl Künstle  (1859–1932) wurde schon 1896 zur Entlastung des häufig kranken und abwesenden Kraus ao. Professor für „Patristik und kirchengeschichtliche Spezialitäten zur Unterstützung des Ordinarius für Kirchengeschichte überhaupt, namentlich in den Übungen des kirchenhistorischen und christlich-archäologischen Seminars“. Testamentarisch vermachte Kraus im Jahr 1900 der Universität Freiburg sein Vermögen unter der Bedingung, „… daß aus der Hinterlassenschaft ein Institut für Christliche Archäologie, verbunden mit einer Lehrkanzel für dieses Fach gegründet werde“. Die Geldmittel des Nachlasses reichten jedoch nicht aus. Nach dem Tod von Kraus lehrte weiterhin Künstle Christliche Archäologie, nicht der von Kraus bevorzugte Sauer. Künstle wurde 1903 o. Honorarprofessor und Ende 1904 Direktor des Christlich-archäologischen Instituts. 

Erst nachdem 1911 Künstle zum o. Professor für Pastoraltheologie und Pädagogik ernannt worden war, war der Weg frei für Joseph Sauer (1872–1949). Sauer war Schüler und enger Vertrauter von Kraus und bei ihm im Jahr 1900 mit der Arbeit „Die Symbolik des Kirchengebäudes in der Auffassung des Mittelalters“ promoviert worden. 1900/01 hatte er das Reisestipendium des DAI inne und kam in Kontakt mit dem Campo Santo in Rom. 1902 erfolgte seine Habilitation mit einer Venia für „Spezialvorlesungen zur Kirchengeschichte des Mittelalters“. In Freiburg wurde er als Nachfolger des „liberalen“ Kraus aus fakultätsinternen Gründen zu-nächst übergangen, erst 1905 zum unbezahlten ao. Professor ernannt und 1906 mit einem Lehrauftrag für „Geschichte der christlichen Kunst und der theologisch-en Wissenschaften in Mittelalter und Neuzeit“ versehen. 1909 wurde er in Nach-folge von Kraus Konservator der kirchlichen Kunstdenkmäler in Baden, ein Amt, dass er bis zu seinem Tode ausübte. Versuche der Fakultät in den Jahren 1910 und 1911, für ihn ein Ordinariat einzurichten, scheiterten zunächst. Erst nach dem Wechsel von Künstle wurde er 1911 Direktor des Seminars für Christliche Archäologie, 1912 etatmäßiger ao. Professor für Patrologie und Christliche Archäologie, 1916 o. Professor für Patrologie und Christliche Archäologie und Kunstgeschichte. Damit war der erste Lehrstuhl für Christliche Archäologie an einer katholisch-theologischen Fakultät in Deutschland geschaffen.

Nach der Emeritierung Sauers 1937 wurde der Lehrstuhl von den nationalsozialistischen Machthabern, die ein Aussterben der Theologischen Fakultäten anstrebten, nicht wiederbesetzt, weshalb Sauer bis 1948 weiter lehrte. Sauers wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte lagen in der Tradition von Kraus in der Denkmalpflege und der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen christlichen Kunstgeschichte. Er publizierte aber auch auf den Kerngebieten der Christlichen Archäologie, vor allem zu Rom sowie zu ikonographischen Fragen und lehrte diese regelmäßig. Wichtig war er vor allem auch auf wissenschaftsorganisatorischem Gebiet, als Mitglied zahlreicher Gremien wirkte er in Zusammenarbeit mit Klassischen Archäologen und Kunsthistorikern weit über die Theologische Fakultät hinaus. Er sah die Zukunft der Christlichen Archäologie in einer engen Zusammenarbeit mit diesen Wissenschaften. Sauer hatte auf dem Gebiet der Christlichen Archäologie zwei überragende Schüler, die er promovierte, habilitierte und in Zusammenarbeit vor allem mit Gerhard Rodenwaldt vom DAI förderte: Johannes Kollwitz und Alfons Maria Schneider (1896–1952). Daneben hatte er zahlreiche Schüler auch aus der Philosophischen Fakultät und besaß dort in seinen späten Jahren Promotionsrecht. 

1950 trat Johannes Kollwitz (1903–1968) die Nachfolge von Sauer als o. Professor für Patrologie und Christliche Archäologie an. Er war 1930 in Freiburg promoviert worden, 1934 bis 1938 war er am DAI Rom tätig, 1938 erfolgte seine Habilitation in Freiburg. Danach war für ihn in der NS-Zeit eine wissenschaftliche Laufbahn als Priester nicht mehr möglich. 1952 übernahm er nach dem Tod von A. M. Schneider die Leitung der Grabung im syrischen Resafa, die er bis 1965 fortsetzte. Dies war die erste Auslandsgrabung, die mit einem Institut für Christliche Archäologie in Deutschland verbunden war. Kollwitz erhielt erst wenige Jahre vor seinem plötzlichen Tod das Promotionsrecht in der Philosophischen Fakultät, sodass viele seiner Schüler aus dieser Fakultät bei ihm nur im Nebenfach studieren konnten. Seine Forschungsfelder waren hauptsächlich die spätantike Plastik, das Christusbild und die Grabung in Resafa. 

Walter Nikolaus Schumacher (1913–2004), der bei Sauer 1943 promovierte war und seit 1959 als Assistent von Kollwitz in Freiburg gearbeitete hatte, wurde 1968 habilitiert und übernahm nach dem plötzlichen Tod von Kollwitz die Christliche Archäologie in Freiburg 1969 zunächst als Vertretung. Die Neubesetzung gestaltete sich schwierig, führte aber schließlich zu einer Trennung von Christlicher Archäologie und Alter Kirchengeschichte und Patrologie in zwei Institute. Die Christliche Archäologie wurde mit Schumacher als erstem Laien von 1972 bis zu dessen Emeritierung 1982 als o. Professor besetzt. Schumacher forschte überwiegend zur Christlichen Archäologie in Rom und im Westreich sowie zu ikonographischen Fragen der Spätantike (Hirtenbild).

Sein Nachfolger wurde Otto Feld (1928–2011), der in Freiburg als Schüler von Kurt Bauch und Kollwitz studiert und promoviert hatte und nach einer Tätigkeit am DAI Istanbul seit 1972 an der Universität Mainz tätig war. Feld lehrte von 1982 bis zu seiner Emeritierung 1994 als o. Professor für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte in Freiburg. Seine Forschungsgebiete umfassten vor allem das byzantinische Kleinasien (bes. Milet) und die byzantinische Bauplastik.

Rainer Warland (* 1951), der bei Schumacher 1985 promoviert worden war, übernahm die Professur für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte von 1995 bis zu seinem Ruhestand 2016. 2008 erfolgte der Wechsel in die Philosophische Fakultät, wo das Fach seitdem als Abteilung für Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte im Institut für Archäologische Wissenschaften vertreten ist.

 

 


Literatur


W. N. Schumacher, 400 Jahre Christliche Archäologie – 100 Jahre in Freiburg, in: Das Münster 32 (1979) 163–164

W. N. Schumacher, Geschichte des Lehrstuhls für Christliche Archäologie an der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. [1961], in: Bibliothekssystem der Universität Freiburg der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Informationen 52 (April 1991) 738–741


M. Dennert, Die Bibliothek des Arbeitsbereichs Christliche Archäologie und Kunstgeschichte, in: Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Informationen 52  (April 1991) 740–741 = Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Bd. 7 (1994) 167–168

O. Feld, Mitarbeiterinnen im wissenschaftlichen Dienst. Die Anfänge am Institut für Christliche Archäologie und Patrologie, in: Frauen bewegen Theologie. Die Präsenz von Frauen in der theologischen Wissenschaft am Beispiel der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Leipzig 2007) 255–258

S. Heid, M. Dennert (Hrsg.), Personenlexikon zur Christlichen Archäologie (Regensburg 2012) s.v.